künstlichen Teich und sah dem goldenen Fisch zu, wie er sein Maul öffnete, um zu erzählen. Ein kleiner Junge kam dazu und setzte sich daneben. Siehst du den Fisch, fragte ich, hörst du den Fisch? Und du sagtest, ja, natürlich höre ich ihn.

Zwischenspiel

LM

Ich habe beschlossen, die Zellfenster von innen zu reinigen. Fehler lassen sich herausrechnen, als Kind rechnete ich sie in jede Gleichung hinein. Nach dem Reinigen der Fenster kannst du in alle Zeiten sehen, die vergangene, die Zukünftige, die Gegenwärtige und noch eine vierte und fünfte. Dann siehst du, dass du dort überall vorkommst und kannst dir entgegen gehen. Ein Vierglückkind zu sein, heißt, auch eigene Jahreszeiten hervorbringen zu können. Ein Vierglückkind zu sein heißt, den Regen nach langer Trockenheit zu spüren.

III Ich glaube, ich erinnere mich

C

In meinem Kopf nichts als Türen, die sich öffnen und schließen. Es gelingt mir nicht, durch eine Tür hindurchzugehen in die Gegenwart eines anderen Menschen. Jetzt stehe ich nicht mehr auf, wenn das Telefon klingelt. Wenn jemand redet, höre ich bloß Geräusche und verstehe den Zusammenhang nicht. Einmal bin ich sogar erschrocken, weil ich dachte, es sei jemand aus dem Zimmer gegangen, den ich gar nicht bemerkt hatte. Aber es war niemand da.

A

Es fällt schwer, sich zu erinnern. Es fällt schwer, besonders, sich an das Schöne zu erinnern. Wie war das, als es schön war? Denk nach, denk nach, denk nach …

B

Die Schneeflecken im Garten waren schön

A

oja

B

die Fahrt auf dem schwankenden Heuwagen, ganz oben, war schön

A

oja

B

und der Duft des Tees und das Knistern, wenn sie den Tee in die Tassen gossen

A

Tassen aus hauchdünnem Porzellan

B

der Tee knisterte, wenn er auf die bonbongroßen Zuckerkristalle traf

A

die sie Kluntjes nannten – wie Diamanten lagen sie in dem glühenden Tee

B

wie Gold in den Zahnreihen der alten Tanten und Onkel

A

Großonkel Großtanten, Volmina

B

Berta, Sina und Harm

A

der Onkel

B

Großonkel Harm, der im Krieg ein Bein verloren hatte

A

Erster oder Zweiter?

B

Egal im Krieg halt, obwohl ich nichts davon wußte, natürlich

A

natürlich

B

du warst ja erst vier

A

oder drei

B

oder vier

A

fünf Jahre alt, höchstens

B

jedenfalls, es war ein Geheimnis um den Großonkel Harm, man sprach nicht darüber, höchstens wurde mal etwas geflüstert

A

die Großtanten

B

vielleicht wenn das Bein schmerzte

A

das ab-be Bein

B

das um den Großonkel war, von dem ich nichts wußte, als ich einmal vor der Tür zum Badezimmer stand, die Tür stand offen –

A

eine alte vernarbte Holztür mit rostigem Riegel

B

– ganz zufällig – und in der Mitte über dem stumpfweißen Fliesenboden baumelte eine Vorrichtung, ein trapezförmiger Bügel mit breitem Griff, der an einem abgeschabten Lederriemen hing, was machte der Großonkel da? Eine Hand am Griff, vor ihm ein ledernes Dings,

A

braunglänzend

B

und der ohnbeinige Großonkel halb nackt, zutiefst erschrocken starrte ich auf das Dings

A

den Bügel

B

den Großonkel, der im Begriff war, seine Prothese anzulegen – Prothese kannte ich nicht

A

weder das Wort noch das Ding, woher auch

B

nur dieser Anblick, diese Vorrichtung, die mich vage an Gerätschaften eines Folterkellers

A

aber woher kanntest du einen Folterkeller?

B

erinnerten, oder an diese Geräte, die sie in der Turnhalle hatten

A

niemand hatte mir gesagt, daß man

B

du hattest deinen Turnanzug dabei

A

und niemand hatte

B

in einem Beutel

A

mir gesagt

B

du hast dich ausgezogen

A

daß man

B

das hast du nicht gewußt

A

und mich umgeschaut

B

du wußtest es ja nicht

A

muß man alles ausziehen?

B

wie die anderen das machen, hatte dir keiner gesagt

A

und ich dachte, es sei wie im Schwimmbad

B

aber die anderen waren alle schon fertig

A

und ich zog alles aus

B

der Turnanzug erinnerte dich

A

wie ein Badeanzug

B

vielleicht sogar dein Badeanzug?

A

bis ich ganz nackt dort stand, in der Umkleide

B

womöglich war es einfach zu teuer

A

also vollständig nackt

B

zuviel des Guten

A

auch ohne Unterhose

B

das geht auch so

A

wurde mir klar

B

wozu brauchst du zwei Badeanzüge

A

daß man sich zum Turnen

B

wenn es auch mit einem geht

A

nicht ganz auszieht, die Unterhose

B

da standest du nackt

A

behält man an

B

und mit rotem Kopf

A

Alarm Alarm

B

auch die Geräte des Großonkel Harm

A

Versehrtheit Schrecken Scham

B

erinn, erinnere dich

A

das hast du alles gelernt